Sie sind oft nicht größer, als ein Blatt Papier und liegen im Frühjahr versteckt im hohen Gras: die Rehkitze. Aus Schutz vor Fressfeinden liegen sie dort ganz allein und weit entfernt von ihrem Muttertier, damit keine Geruchsspur auf sie aufmerksam macht. Auch flüchten können sie auf ihren wackeligen Beinchen in den ersten vier Lebenswochen noch nicht, und so heißt ihre Überlebensstrategie: tarnen und flach auf den Boden ducken, egal was passiert. Bloß nicht auffallen.
Und genau das wird ihnen bei der Wiesenmahd zum Verhängnis, wenn Traktor und Mähwerk anrücken. Damit den kleinen Lebewesen nichts passiert, arbeiten Jäger und Landwirte seit ein paar Jahren sehr erfolgreich zusammen, und suchen gemeinsam die Wiesen vor der Mahd mit modernster Technik ab. In den frühen Morgenstunden, wenn die kleinen Kitze sich aufgrund ihrer Körpertemperatur noch gut von der Umgebung abheben, werden die Flächen per Drohne und einer daran montierten Wärmebildkamera abgeflogen.
Die Zahlen der erfolgreich kontrollierten Flächen und das Ergebnis der an diesen Tagen vor einem Mähtod geretteten Tiere sprechen für sich.
Unter der Leitung von Jägerobmann Willi Kircher aus Gailsbach, der für die Organisation und Koordination der Drohnenflüge verantwortlich ist, haben Jäger, gemeinsam mit den für die Sicherung der Flächen verantwortlichen Landwirten, in 2023 wieder großartiges geleistet:
Im Mainhardter Gemeindegebiet haben dieses Jahr 34 landwirtschaftliche Betriebe ihre Flächen vor der Mahd zur Absicherung mit der Drohne angemeldet.
An insgesamt 125 verschiedenen Standorten wurden 341 Parzellen mit einer Fläche von 339 Hektar abgeflogen.
Für das meist drei- bis sechsköpfige Drohnenteam bedeutete das, an 26 Tagen das Bett gegen 03:30 Uhr morgens zu verlassen. 74 Stunden wurde die Drohne von den Piloten in der Luft gesteuert und 108 Flugpläne wurden dafür vor den Terminen erstellt.
Gerettet werden konnten dieses Jahr 101 Rehkitze, indem man die Jüngsten für die Dauer der Mahd in spezielle Kisten gepackt hat und die etwas größeren Kitze durch die Helfer aus den Wiesen bewegt werden konnten. Auch 8 Junghasen sind rechtzeitig entdeckt und gesichert worden, ebenso wie 3 versteckte Füchse, die rechtzeitig die Wiese verlassen und den sicheren Wald aufsuchen konnten.
Durch das nass-kalte Wetter Anfang Mai stand das Gras auf den Wiesen dieses Jahr extrem hoch und sehr dicht. Mit dem Wetterwechsel zu warm und trocken überschlugen sich die Termine, denn Silo und Heugras wurden dieses Jahr fast gleichzeitig gemäht. Das war nicht nur eine Herausforderung für die Koordination der einzelnen Termine, sondern auch für die Technik, die unter dichtem Gras die auf dem Boden liegenden Tierkinder entdecken musste. Auch für die Helfer ging es an deren Grenzen, da oft weite Strecken durch nasses und teils kopfhohes Gras zu den durch die Drohne angezeigten Stellen zurückgelegt werden mussten.
Ein besonderes Highlight in diesem Jahr war daher der 08. Juni. An diesem Tag wurden 53 Parzellen mit einer Fläche von 28 Hektar zu Kontrolle angemeldet. In den 3,5 Stunden Flugzeit am frühen Morgen konnten 11 Rehkitze gefunden und gerettet werden.
Auch wenn es kein Wetteifern nach immer höheren Zahlen ist, sondern es letztendlich um die Rettung einzelner, nicht fluchtfähiger Geschöpfe geht, so lässt sich daran unschwer erkennen, dass man mit der "Luftrettung" auf dem richtigen Weg zum Schutz der Wildtiere ist.
Für die kommende Saison ist die Anschaffung einer weiteren Drohne mit Wärmebildkamera geplant, um das erfolgreiche, aber zeitlich am Limit ausgebuchte Team besser entlasten zu können.
Wir danken ganz herzlich allen teilnehmenden landwirtschaftlichen Betrieben, allen Helfern und allen Jagdpächtern mit Jägern für die effektive Zusammenarbeit zur Rehkitzrettung 2023.
Wir Jäger und das Team Rehkitzrettung vom Mainhardter Wald
Quelle Fotos: Willi Kircher
Text: Anika Kupfer